11. Mai 2024 | 20 Uhr

Re*vi*si*ter
Panakustika - Zurück in die Zukunft! - Neue Musik für Synthesizer

Foto: Jasper Kettner

Lange/Berweck/Lorenz
Silke Lange, Sebastian Berweck, Martin Lorenz –
Synthesizer

Vor über 40 Jahren gab es eine Blüte der live gespielten elektronischen Musik mit Synthesizern. Doch dann verschwand der Synthesizer von den Bühnen der Neuen Musik. Nachdem das Berliner Synthesizertrio Lange/Berweck/Lorenz das epische „Stries“ von Bernard Parmegiani für drei Synthesizer und Tonband rekonstruierte, erlebt der Synthesizer eine echte Renaissance.

 

Das Programm Re*vi*si*ter schlägt eine Brücke zwischen den 1980er Jahren und heute und präsentiert Kompositionen für eine post-digitale Generation von Synthesizern.

Christina Kubisch – Electrified (2023)*
Denis Dufour – Ondulations (2023)*
Pierre Jodlowski – Artefacts (2023)*
Thomas Kessler – La montagne ardente (1985/2024)*
Daniela Fantechi – Within a dream (2021)

*Kompositionsaufträge von Lange/Berweck/Lorenz, finanziert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung
Das Programm Re*vi*si*ter wird gefördert von Impuls neue Musik.

Links
Video von Daniela Fantechi – Within a dream
Webseite Lange//Berweck/Lorenz http://langeberwecklorenz.de

 

Zu den Werken:

Thomas Kessler – La montagne ardente*
Der Titel bezieht sich auf ein Kapitel im frühen Roman „L’homme de la pampa“ von Jules Supervielle (1884-1960), in welchem der Held „Guanamiro“ in der Einöde der Pampa versucht, einen Vulkan zu erbauen, um ein bisschen Leben, Temperament und Energie in die Langweiligkeit der Ebene zu bringen. Es gelingt ihm schliesslich, einen richtigen Berg mit maschinell gesteuerten Vulkaneruptionen, Dämpfen und Lavaströmen zu erstellen, die im Gegensatz zu echten Vulkanen keinerlei zerstörerische Wirkung auf Natur und Menschen haben. Die austretenden Gase sind nicht giftig, sondern wohlriechend und die Eruptionen finden in einem kontrollierten Ausmass statt, sodass auch die nährreichen Lavaströme landwirtschaftlich ein Segen sind.

 

Guanamiro plante auch sogenannte „Eruptions de Charité“ für die Armen, aber auch für Kinder: kleine Geschenke, sogar medizinische Heilmittel, Bücher. In seinem Vulkan arbeiteten 40 Angestellte, nackt, in tätowierten Uniformen.
Die Bevölkerung jedoch blickte zunehmend voller Misstrauen auf dieses Werk und vermutete dahinter eine List oder eine noch viel grössere Katastrophe, denn der Vulkan könnte tief in die Erde Wurzeln schlagen und eines Tages echte Eruptionen hervorbringen. Der Vulkan sollte wieder verschwinden. Guanamiru hat sich jedoch inzwischen so sehr in sein Werk verliebt (wie jedes Genie), dass er beschliesst, den Vulkan in 40 Teile zu zerlegen, Stein für Stein mit Nummern registriert, um ihn mitten in Paris wieder zusammenzubauen. Jeder grosse Staatsmann hat dort in einem Museum, einer Kirche oder einem Triumphbogen seine Bedeutung manifestiert, alles Vorbilder aus der Tradition, aber ein Vulkan wäre endlich etwas Neues.

Leider gingen die Vorbereitungen zur Verschiffung schief und die Organisation der Vulkan- maschinen wie auch des Gesteins ging in einem Chaos unter, die Maschinen setzten Rost an und Guanamiru’s Werk war zerstört. In seinem Reisekoffer entdeckte er zu seiner Überraschung einen Minivulkan, den er nach Paris mitnehmen konnte. (Thomas Kessler)

 

Christina Kubisch – Electrified (2023)*
Synthesizer funktionieren mit elektrischem Strom. Elektromagnetische Felder entstehen ebenfalls auf der Basis von elektrischem Strom und können auch nur elektrisch hörbar gemacht werden. Eine weitere Ebene, mit der ich arbeite, sind elektro-akustische Bearbeitungen von Tonaufnahmen, die auch nur mit Strom möglich sind.
Electrified ist ein Stück, das elektrische Prozesse hörbar macht. Verwendet werden Synthesizer, elektromagnetische Detektoren und Mikrofone. Das Stück entsteht in enger kreativer Zusammenarbeit mit dem Ensemble, sowohl im Solospiel als auch im Ensemble. Ein erster Schritt waren Improvisationen der einzelnen Spieler zu einer von mir vorher erstellten Klangcollage, wobei jeder Spieler einen bestimmten Frequenzbereich nutzen konnte. Diese Aufnahmen wurden in vielen Schritten in einem Raum immer wieder abgespielt und erneut aufgenommen, bis die ursprüngliche Fassung sich komplett verändert hatte.
Electrified ist ein Zusammenspiel von diesen Klangaufnahmen zusammen mit dem Live Spiel auf den Instrumenten. Es entstehen elektrische Klanglandschaften, die zwischen Original und elektrischer Transformation immer wieder neue Ebenen ergeben. (Christina Kubisch)

 

Denis Dufour – Ondulations (2023)*
Wie alle Werke der Serie Perversionsfalten bezieht Ondulations sein Material und seinen Geist aus dem ersten Werk, Velours des dunes infoulées, das 1978 in Form einer grafischen Partitur für das Ensemble TM+ geschrieben wurde. In Ourlé du lac (1984) übertrug ich diese Grafiken in „traditionelle“ Schrift und legte Frequenzen, Dauern und Rhythmen genau fest. Indem ich den Ablauf dieser Partitur genau übernahm, entwarf ich für Ondulations einen strengen Kontrapunkt mit drei Stimmen: Die dritte Stimme ist die exakte Retrograde der ersten, während die zweite, um einige Takte verschoben, ihr Spiegelbild ist. Jeder Stimme ist eine Klangfamilie zugeordnet, die Wasserklänge für die erste, Holzklänge für die zweite und Metallklänge für die dritte simuliert. Die dichte, enge und sehr „morphologische“ Schreibweise ähnelt der barocken Phrasierung durch ihre Beweglichkeit, ihren Fluss, ihre Kontraste und eine Form von Kostbarkeit der Rede.Über das Werk Wie alle Werke der Serie Perversionsfalten bezieht Ondulations sein Material und seinen Geist aus dem ersten Werk, Velours des dunes infoulées, das 1978 in Form einer grafischen Partitur für das Ensemble TM+ geschrieben wurde. In Ourlé du lac (1984) übertrug ich diese Grafiken in „traditionelle“ Schrift und legte Frequenzen, Dauern und Rhythmen genau fest. Indem ich den Ablauf dieser Partitur genau übernahm, entwarf ich für Ondulations einen strengen Kontrapunkt mit drei Stimmen: Die dritte Stimme ist die exakte Retrograde der ersten, während die zweite, um einige Takte verschoben, ihr Spiegelbild ist.Jeder Stimme ist eine Klangfamilie zugeordnet, die Wasserklänge für die erste, Holzklänge für die zweite und Metallklänge für die dritte simuliert. Die dichte, enge und sehr „morphologische“ Schreibweise ähnelt der barocken Phrasierung durch ihre Beweglichkeit, ihren Fluss, ihre Kontraste und eine Form der Kostbarkeit der Rede. (Denis Dufour)

 

Pierre Jodlowski – Artefacts (2023)*
Artefakte sind Anomalien, die bei elektronischen Prozessen in verschiedenen Bereichen (Meteorologie, medizinische Bildgebung, Synthesetechniken) auftreten. Diese Anomalien sind insofern recht faszinierend, als sie durch das anfängliche Experiment nicht vorhergesagt wurden und einzigartige Eigenschaften aufweisen. Im wissenschaftlichen Bereich suchen wir im Allgemeinen nach Methoden zur Eliminierung von Artefakten, da diese parasitären Elemente einen Störeffekt haben. Im Gegensatz dazu habe ich in diesem Projekt versucht, all diese Phänomene hervorzuheben, um eine sehr dichte und sehr instabile Klangumgebung zu schaffen.

Dieses für das Trio Lange/Berwerck/Lorenz komponierte Stück verwendet drei Arten von Klangmaterialien:
– analoge Syntheseklänge, die viele Artefakte aufweisen
– laute Geräusche und Texturen (Maschinen, Umgebungen, Perkussion), deren Anhören ebenfalls komplex ist
– Auch Funkfragmente (Stimmen und Funkgeräusche) parasitieren

Die Hauptidee besteht darin, diese Quellen zu einer Reihe von Texturen zu vermischen, die regelmäßig durch einen kurzen Ton oder eine kurze Stille unterbrochen werden. Manchmal stabilisiert sich die Musik auf konventionelleren Elementen (harmonische Farben, rhythmische Sequenzen), aber eine Art unkontrollierbare Energie scheint alles zu dominieren. Ein Aspekt dieser Arbeit besteht darin, sehr komplexe Phänomene zu erzeugen, bei denen das Zuhören gezwungen ist, bestimmte Elemente auszuwählen. Ein bisschen so, als ob die Artefakte in einer Art Wucherung in das System eingedrungen wären.

 

Daniela Fantechi – Within a dream (2021)
In my practice as a composer, I’ve been developing a personal approach to electronic music which is strongly based on the empirical experience of the instrumental sound matter. I am interested in observing different degrees of controllability and predictability of instrumental sounds, that open up the reflection on the actual nature of the sound matter and on the various possibilities of controlling it within the compositional process. At the core of my research, the attention is directed to the instrumental gesture, through which the plasticity of the sound matter can be disclosed. Starting from specific sound gestures and shaping them, the potentialities of the sound matter emerge and become meaningful to the compositional work. From this perspective, I started to work for the Synthesizer Trio Lange//Berweck//Lorenz, whose approach is focused on an instrumental playing of electronic instruments. Few selected musical ideas and sound materials have been chosen to shape a textural context in which the time tends to expand. The aim was to create a listening space in which the perceptual and conceptual distinction between noise and sound loose meaning and dissolve, in a dreamy soundscape with few tiny details of noisy sounds. (Daniela Fantechi)


Das Ensemble:

Lange//Berweck//Lorenz ist ein in Berlin ansässiges Trio für elektroakustische Musik. Gegründet 2014 verfolgen die Projekte des Kollektivs die Realisierung elektronischer Partituren, die Restaurierung und (Wieder-)Aufführung elektronischer Werke aus der Vergangenheit und die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponist:innen an neuen Stücken. Heute präsentieren sich Silke Lange, Sebastian Berweck und Martin Lorenz als Trio auf der Bühne mit einem Laboratorium von analogen und digitalen Synthesizern und Maschinen, die Live-Performance an den Instrumenten wird durch Video- und Lichtdesign erweitert.

Das Ensemble tritt bei Festivals und Konzertreihen für zeitgenössische und elektronische Musik auf, u.a.: Philharmonie Luxembourg, Musiques & Recherches Bruxelles, MaerzMusik, Multiphonies GRM Paris, ZKM Karlsruhe, SWR Attacca Festival Stuttgart, Ultraschall Festival Berlin, Heroines of Sound, Kontakte Festival Berlin.

Karten: 14 €, erm.  9 €

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