if and only if ist ein Meisterwerk des jüngst mit dem Ernst von Siemens Förderpreis ausgezeichneten US-amerikanischen Überfliegers, Komponisten, Improvisators, Pianisten und Ensembleleiters Eric Wubbels.
In acht zyklisch angeordneten Sätzen und einer Dauer einer knappen Stunde, mit emotionaler Wucht und rationaler Stringenz untermauert Wubbels seine These von der Umdeutbarkeit von „Frequenz“ als Tonhöhe, Tempo oder Rhythmus.
Poetisch gesprochen geht es ihm um die mit der Annäherung oder Entfernung zweier Linien verbundenen Assoziationen:
Fallen, Verlassen, Veränderung, Auflösung, Rückkehr, gebundene Energie, verankerte Bewegung, Verwurzelung, „Schwimmen auf der Oberfläche, Gehen auf dem Meeresgrund“.
Im art.ist erlebt if and only if seine europäische Erstaufführung. Für das von Gérard Griseys Vortex Temporum begeisterte Publikum verspricht es eine neue Sternstunde der Panakustika Serie zu werden.
Über das Werk:
if and only if wurde 2018-19 für ein Trio bestehend aus dem Geiger Josh Modney, der Cellistin Mariel Roberts und mir geschrieben. In Gänze dauert das Stück knapp eine Stunde und umfasst acht Sätze, von denen jeder einen Aspekt des Grundmaterials konzentriert betrachtet, und die sich in einem großen Bogen zunächst vom Ausganspunkt entfernen und nach der Hälfte des Werks wieder zu ihm zurückkehren.
Die Poetik des Stücks leitet sich von der schrägen Bewegung ab, „der Annäherung oder Entfernung einer Linie hin oder weg zu oder von einer statischen, unbeweglichen Linie“ und den damit verbundenen gefühlsmäßigen Assoziationen: Fallen, Verlassen, Veränderung, Auflösung, zyklische Rückkehr, Zentripetalkraft, gebundene Energie, verankerte Bewegung, Verwurzelung, „Schwimmen auf der Oberfläche, Gehen auf dem Meeresgrund“.
Aus technischer Sicht setzt das Stück eine Reihe von Untersuchungen und Erkundungen in meiner Arbeit fort, die viele Jahre zurückreicht und frühere Duos und Quartette umfasst, die ich für Josh und Mariel geschrieben habe, sowohl als Einzelpersonen als auch als ehemalige Mitglieder des Mivos Quartetts: „the children of fire come looking for fire“(2012), „being-time“(2013-15) und ‚“gretchen am spinnrade“ (2016). Jedes der Stücke arbeitet auf seiner Grundebene mit Frequenz: der Zeiteinheit, die wir sowohl auf die Tonhöhe als auch auf den Rhythmus anwenden und in beiden Fällen in Hertz messen.
Im Fall von if and only if funktioniert dies wie folgt:
Eine Untertonreihe, die von jeder der drei gemeinsamen Tonhöhen der leeren Saiten der Violine und des Cellos (A, D und G) absteigt, definiert einen Vorrat von Grundtönen, deren ineinander geschachtelte Obertonreihen wiederum eine Skala bilden, die ganze Stück durchzieht und innerhalb derer sich die Musik im Allgemeinen schrittweise bewegt. Da viele der Grundtöne aus dem Raster des gleichschwebenden Tonhöhensystems verschoben sind, eröffnet die aus ihnen gewonnene Skala einen dichten mikrotonalen Raum, der sich gegen die feste Intonation des Klaviers in einem fein abgestuften Spektrum von Geschwindigkeiten und Intensitäten akustischer Schwebungen reibt. (Diese Schwebungsintensität ist für mich ein mögliches alternatives Paradigma für eine Konzeption von Konsonanz und Dissonanz). Wenn die Grundtöne um eine Oktave nach unten transponiert werden, erreichen sie ein Register, in dem ihre Tonhöhe jegliches Chroma verliert und stattdessen als rhythmische Pulsation wahrgenommen wird [~7-15 Hz]. Diese Pulsationen kippen dann wie selbstverständlich in rhythmische Werte „[7 8 9 10 11 12 15]“ die als x-Tolen, rhythmische und metrische Gruppierungen oder als Verhältnisse fungieren können, welche Tempobeziehungen und metrische Modulationen strukturieren.
An seinem Endpunkt ermöglicht dieser „gemeinsame Nenner“ von Hertz/Frequenz die Ausführung von „kippenden Modulationen“ zwischen Parametern, sodass sich ein 10-Hz-Schlagintervall nahtlos in ein rhythmisches Muster mit 10 Hz verwandeln kann, das sich zu einer auf 10-Hz (das ist ein Viertelton tiefes E) basierenden Harmonie stabilisiert, die eventuell eine Klaviernote enthält, welche so präpariert ist, dass sie mit einer Geschwindigkeit von 10Hz schwebt.
Die kontinuierlichen, schrittweisen, schrägen Bewegungen im Stück „Bassnoten aufsteigend oder absteigend gegen einen Liegeton, sich schrittweise beschleunigende oder verlangsamen Tempi oder rhythmische Muster, Harmonien, die von D über E-Viertelton-tief, bis F syntonisch-hoch bis G modulieren“ geben dem Stück als Ganzem eine Art Spiralstruktur, in der die Hz-Werte kontinuierlich kreisen und unterschiedlich als Rhythmen, Metren, Schlaggeschwindigkeiten oder Grundfrequenzen interpretiert werden. Aus einer Höhe von 10.000 Fuß betrachtet ist das Stück also eine Art Chaconne und im letzten Satz wird es als solche entlarvt!
Trotz der ungeheuerlichen Intensität seines Ausdrucks ist die beste Metapher, die ich dem Werk geben kann, wohl die abstrakteste: eine Chaconne von Zahlen, die gegen eine fixierte, unbewegliche Linie steigen oder fallen.
Eric Wubbels, Februar 2023.
Weiterführende Informationen:
Portrait von Eric Wubbels in der New York Times
Website des Komponisten Eric Wubbels – Composer/Pianist (wubbelsmusic.com)